Nach weiteren kleineren und mittleren Tramprouten - nach Berlin zog es mich des Öfteren - hatte ich Lust darauf, das Trampen einmal zu zweit zu probieren. Kurzerhand fragte ich Caro - der Grund, warum ich nach Berlin fuhr - ob sie sich denn vorstellen könne, mit mir nach Paris zu fliegen mit einem Zelt und Campingausrüstung im Gepäck, dort ein paar Tage Campingurlaub zu machen und dann den Rückweg zu trampen. In Paris gibt es nämlich einen Campingplatz im Stadtgebiet am Ufer der Seine im Bois de Boulogne - dorthin wollten wir.
Schnell hatte ich Anfang Juli einen günstigen Flug für uns beide gebucht: Am 1.8. sollte uns eine Germanwings-Maschine am frühen Abend für insgesamt 38,-€ von Stuttgart nach Paris (Charles de Gaulle) bringen.
Ende Juli also kam Caro zu mir nach Stuttgart - per Mitfahrgelegenheit, denn alleine zu trampen war ihr zu unsicher. Ich packte alles Notwendige zum Campen in meinen großen Rucksack: Zelt, Luft-Isomatte, Schlafsack, Campingkocher nebst Gasflasche und Campinggeschirr und -Besteck usw. Zudem nahmen wir etwas Pasta mit, das würde am einfachsten zuzubereiten sein und sollte uns während der Reise gut ernähren. Vor allem Caro hatte ausreichend Nahrung für sich selbst dabei: Als strikte Veganerin vertraute sie nicht darauf, in Frankreich überall Nahrung entsprechend ihren harten Bedingungen finden zu können.
Dann ging's los zum Flughafen.
Am Check-In-Schalter durchleuchteten die Herren Zollbeamten meinen großen Rucksack lieber zweimal und baten mich dann, ihn zu öffnen. Als sie meinen Campingkocher sahen, vor allem die Gasflasche daran, meinten sie, dass dies nicht ginge und forderten mich auf, sie zu entfernen. Die kleine 1-kg-Flasche am Kocher war ohnehin schon relativ leer, darum hatte ich eine noch ungeöffnete Flasche als Ersatz in meinen Campingtöpfen aus Aluminium verstaut. Letztere hatten die Beamten allerdings nicht entdeckt und ich fühlte mich nicht genötigt, sie darauf hinzuweisen. Ich entsorgte also wie aufgefordert die angebrauchte Flasche und wir checkten im weiteren Verlauf problemlos ein und in Paris wieder aus.
Natürlich hatte ich mich vor der Reise per GoogleMaps kundig gemacht über die Straßensituation rund um den Ankunftsflughafen und hatte bereits festgestellt, dass das Fortkommen von dort nur mit dem Daumen sich schwierig, jedoch nicht unmöglich gestalten würde. Und nun standen wir also dort, schwer mit unseren Rucksäcken beladen, und suchten nach den Straßen und Wegen, die ich zuvor im Internet gesehen hatte. Weil wir diese nicht auf Anhieb finden konnten, gingen wir wieder zurück in den Terminal, um uns auf einer Flughafenkarte besser zu orientieren. Als wir dabei waren, unseren Weg zu suchen, sprach uns ein Taxifahrer an und fragte, ob er uns irgendwohin mitnehmen könne. Ich lehnte dankend ab, erläuterte ihm aber unser Problem und er meinte, wir sollten uns doch einfach ganz frech in eine der Navettes setzen, also in die Pendelbusse, die die Fluggäste vom Flughafen direkt zu den umliegenden Hotels brachten.
Da der Abend inzwischen später wurde, befolgten wir den Rat des Taxifahrers und landeten nach einigen Minuten Fahrt bei einem Hotel, in dem zu übernachten wir uns nicht einmal ansatzweise hätten leisten können (und es auch nicht wollten) und waren somit vom Flughafen losgekommen. Aufgrund der vorgerückten Stunde beschlossen wir, uns nur noch ein paar Schritte zu Fuß von den Hotels weg in die freie Natur zu begeben und dort unser Zelt aufzuschlagen. Während wir an zwei, drei Feldern vorbei spazierten, ging die Sonne unter und wir bauten schließlich unser Zelt im Halbdunkel auf und verbrachten so unsere erste Nacht in Frankreich.
Am nächsten Morgen ließen wir uns gemütlich von der Sonne wecken, frühstückten schön in der Natur - dabei wurde ich gestört durch einen Anruf von der Freien Hochschule Stuttgart, wo man mir mitteilte, dass meine Bewerbung um einen Studienplatz erfolgreich gewesen sei und ich mich an Caros und meinem letzten geplanten Urlaubstag dort noch einmal persönlich vorstellen solle. Dadurch war unser Urlaub um einen Tag verkürzt, trotzdem freute ich mich über diese Nachricht. Wir packten alles zusammen und marschierten los.
In der Nähe gab es eine Straße, über die wir versuchten, nach Paris zu trampen. Leider waren wir irgendwo außerhalb von Paris in der Pampa, wo die Leute höchstens zum nächsten Dorf, aber wohl selten in die Hauptstadt fuhren, und nahmen wir bald den Bus - ironischerweise wieder zurück zum Flughafen - und dann den Zug zum Gare du Nord - und endlich waren wir in Paris!
Paris - oh wie ich diese Stadt liebe, die berauschendste, geheimnisvollste, romantischste, mächtige und zugleich doch irgendwie niedliche Stadt, die ich bisher kennen gelernt habe! Paris, je t'aime! Caro und ich standen nun am Bahnhof und besorgten uns zunächst einmal 10er-Tickets, bevor wir weiter gingen. Gleich am Bahnhof wurden wir von irgendwelchen Leuten angesprochen und bekamen Flyer in die Hand gedrückt, auf denen für irgendwelche viel zu teuren Hostals für "coole Globetrotter" geworben wurde. Aber wir wussten ja schon, wohin wir wollten, und mit den Öffentlichen kamen wir schließlich am frühen Nachmittag im Bois de Boulogne an. Der Campingplatz war bald gefunden, also schnell eingecheckt und Zelt aufgebaut, alles darin verstaut und los ging es in die Stadt.
Wir wollten an jesem Nachmittag und Abend "nur geschwind die Stadt nebst Eifelturm auf uns wirken lassen" - es wurde ein Fußweg von mehreren Kilometern und Stunden zum Arc de Triomphe, die Champs Ellysées entlang bis zum Place de la Concorde, bei les Invalides über die Seine und dann teilweise am Seineufer entlang, teilweise durch verwinkelte Gassen bis zum Eiffelturm, dort wieder zurück über die Seine und durch die Gassen wieder zum Bois de Boulogne. An der Straße, die wir durch den Wald nahmen, tummelte sich inzwischen - es war bereits dunkel geworden - so manche Bordsteinschwalbe. Seltsame Autos fuhren vorüber, von denen eines auch kurz Caros und meinetwegen hielt. Schließlich kamen wir müde und erschöpft in unserem Zelt an und schlüpften ohne große Umschweife in unsere Schlafsäcke und waren kurz darauf eingeschlafen.
Dies hier soll ein Tramperblog sein, also versuche ich, die Tage in Paris nur knapp zusammenzuraffen: Natürlich waren wir im Louvre, denn Caro wollte unbedingt die Mona Lisa sehen, allerdings klappte ausgerechnet dieses nicht, weil wir uns nicht über die frühen Schließzeiten des Louvre informiert hatten. Wir waren auch an anderen Orten in Paris, nur nicht in Montmartre, obwohl wir dies eigentlich unbedingt vorhatten - wir kamen irgendwie nicht dazu, auch, weil unser Aufenthalt in Paris nun um einen Tag verkürzt war.
Sehr nett war es, auf dem Campingplatz die Bekanntschaft von Eva und Franzi zu machen, zwei mutige Abiturientinnen, die mit einem Interrail-Ticket quer durch Europa reisten.
Am 4. 8. war es schließlich Zeit für uns, Paris zu verlassen. Der Plan war, der A4 so lange zu folgen, bis sich eine gut zum Trampen geeignete Auffahrt fand. Nachdem es allerdings bis zum Abend noch ganz schlecht aussah und wir mit unserem ganzen Gepäck von Paris von der Porte de Bercy aus 8km an der A4 entlang marschierten ohne Aussicht darauf, mitgenommen zu werden, hatten wir gegen 0:30 in Joinville dann endlich Glück und wurden von einem freundlichen Herrn aus Mali mitgenommen, der uns zuerst zum Bahnhof in Champigny sur Marne bringen wollte, dann allerdings sagte, es mache ihm "mal au coeur", uns einfach so da stehen zu lassen. Kurzerhand entschloss er sich, uns bei sich im Esszimmer im Schlafsack auf dem Boden schlafen zu lassen.
Am nächsten Morgen begaben wir uns zu Fuß wieder auf die Suche nach der Autobahn, nur um dann festzustellen, dass es an den Autobahnzubringern unmöglich war zu trampen. Also wieder fast zurück dahin von wo aus wir am Morgen starteten und dann an der Route Nationale 4 entlang, wo wir wieder ein paar Kilometer marschieren mussten (mit einer ganz netten Picknickpause) bis wir dann endlich eine Ortschaft weiter mitgenommen wurden, sozusagen von einem Carrefour-Kaufhaus zum nächsten. Dort irrten wir dann zuerst etwas ziellos umher, suchten nach guten Tramp-Möglichkeiten an einer Tankstelle, dann an einem Autobahnzubringer und wieder an der Tankstelle, wo wir sogar einige Deutsche antrafen, die allerdings schon randvoll gepackt und deshalb keinen Platz für uns hatten.
Etwa eine Stunde später, mittlerweile war es schon später Nachmittag und wir waren immernoch in der Peripherie um Paris, nahm uns dann eine etwas ältere französische Dame mit, die zwar ihr Auto schon voll hatte, aber dennoch alles hin und herräumte, um für unsere großen Rucksäcke Platz zu schaffen. Da sie sich offensichtlich auf den französischen Autobahnen (und Straßenkarten) nicht so gut auskannte, kam es ihr wahrscheinlich ganz gelegen, in uns einen Lotsen gefunden zu haben. Sie nahm uns etwa 300km mit bis nach Dole, wo sich unsere Wege trennten, da sie weiter in Richtung Genf und wir in Richtung Strasbourg wollten. Etwas später nahm uns dann ein netter junger Franzose algerischer Abstammung bis nach Besançon mit, ohne es sich nehmen zu lassen, während der Fahrt einen fetten Joint zu rauchen. An der Péage-Station in Besançon ließ er uns dann springen - mittlerweile war es schon 23:30 Uhr und dunkel - , und wir waren gerade dabei, uns einen Platz für unser Zelt zu suchen, als wir von einem weiteren freundlichen Franzosen angesprochen wurden, ob wir nach Prag wollten. Prag?? Gern, nur nicht jetzt. Die Sache klärte sich auch schnell: Er war Leiter einer französischen Reisegruppe mit komfortablem Reisebus, die an besagter Péage-Station exakt zwei Reisegäste, einen Mann und eine Frau, aufgabeln wollte. Zwar waren wir schon müde und hatten uns schon aufs Schlafen eingestellt, allerdings brauchten wir nicht lange zu überlegen, als er uns anbot, uns bis Strasbourg, vielleicht sogar bis zu einer Raststätte auf deutscher Seite mitzunehmen. Also unsere Rucksäcke in den Kofferraum und wir in die bequemen Sitze. Sicherheitshalber fragte ich den Reiseleiter, was es uns denn kosten würde, mit dem Bus mitzufahren, da meinte er nur, da wir ja Tramper seien, würde er uns eben auch wie Tramper mitnehmen: Umsonst. Am Rasthof Renchtal, der nächste nach dem Grenzübergang Straßburg-Kehl, verließen wir die Reisegruppe - es war schon 3:30 Uhr - und bauten ganz frech unser Zelt auf einem Stück Rasen neben der Raststätte auf. Es regnete ziemlich stark, weswegen wir es im Trockenen an der Tankstelle aufstellten und dann schnell auf das Rasenstück trugen, um danach nur noch schnell zuerst unsere Rucksäcke und schließlich uns selbst vor dem Regen zu retten und ein paar Stunden zu schlafen, bevor am nächsten Morgen der nächste übereifrige Polizist uns von dort vertreiben würde. Der Polizist blieb allerdings aus und so schliefen wir gut bis etwa 10 Uhr und machten uns dann entspannt auf die Suche nach jemandem, der uns die verbliebenen 150 km bis nach Stuttgart mitnahm; der war bald gefunden. Ein paar Minuten mit den Stuttgarter U- und S-Bahnen, dann waren wir um 14:30 Uhr endlich bei mir zuhause.