Nach weiteren kleineren und mittleren Tramprouten - nach Berlin zog es mich des Öfteren - hatte ich Lust darauf, das Trampen einmal zu zweit zu probieren. Kurzerhand fragte ich Caro - der Grund, warum ich nach Berlin fuhr - ob sie sich denn vorstellen könne, mit mir nach Paris zu fliegen mit einem Zelt und Campingausrüstung im Gepäck, dort ein paar Tage Campingurlaub zu machen und dann den Rückweg zu trampen. In Paris gibt es nämlich einen Campingplatz im Stadtgebiet am Ufer der Seine im Bois de Boulogne - dorthin wollten wir.
Schnell hatte ich Anfang Juli einen günstigen Flug für uns beide gebucht: Am 1.8. sollte uns eine Germanwings-Maschine am frühen Abend für insgesamt 38,-€ von Stuttgart nach Paris (Charles de Gaulle) bringen.
Ende Juli also kam Caro zu mir nach Stuttgart - per Mitfahrgelegenheit, denn alleine zu trampen war ihr zu unsicher. Ich packte alles Notwendige zum Campen in meinen großen Rucksack: Zelt, Luft-Isomatte, Schlafsack, Campingkocher nebst Gasflasche und Campinggeschirr und -Besteck usw. Zudem nahmen wir etwas Pasta mit, das würde am einfachsten zuzubereiten sein und sollte uns während der Reise gut ernähren. Vor allem Caro hatte ausreichend Nahrung für sich selbst dabei: Als strikte Veganerin vertraute sie nicht darauf, in Frankreich überall Nahrung entsprechend ihren harten Bedingungen finden zu können.
Dann ging's los zum Flughafen.
Am Check-In-Schalter durchleuchteten die Herren Zollbeamten meinen großen Rucksack lieber zweimal und baten mich dann, ihn zu öffnen. Als sie meinen Campingkocher sahen, vor allem die Gasflasche daran, meinten sie, dass dies nicht ginge und forderten mich auf, sie zu entfernen. Die kleine 1-kg-Flasche am Kocher war ohnehin schon relativ leer, darum hatte ich eine noch ungeöffnete Flasche als Ersatz in meinen Campingtöpfen aus Aluminium verstaut. Letztere hatten die Beamten allerdings nicht entdeckt und ich fühlte mich nicht genötigt, sie darauf hinzuweisen. Ich entsorgte also wie aufgefordert die angebrauchte Flasche und wir checkten im weiteren Verlauf problemlos ein und in Paris wieder aus.
Natürlich hatte ich mich vor der Reise per GoogleMaps kundig gemacht über die Straßensituation rund um den Ankunftsflughafen und hatte bereits festgestellt, dass das Fortkommen von dort nur mit dem Daumen sich schwierig, jedoch nicht unmöglich gestalten würde. Und nun standen wir also dort, schwer mit unseren Rucksäcken beladen, und suchten nach den Straßen und Wegen, die ich zuvor im Internet gesehen hatte. Weil wir diese nicht auf Anhieb finden konnten, gingen wir wieder zurück in den Terminal, um uns auf einer Flughafenkarte besser zu orientieren. Als wir dabei waren, unseren Weg zu suchen, sprach uns ein Taxifahrer an und fragte, ob er uns irgendwohin mitnehmen könne. Ich lehnte dankend ab, erläuterte ihm aber unser Problem und er meinte, wir sollten uns doch einfach ganz frech in eine der Navettes setzen, also in die Pendelbusse, die die Fluggäste vom Flughafen direkt zu den umliegenden Hotels brachten.
Da der Abend inzwischen später wurde, befolgten wir den Rat des Taxifahrers und landeten nach einigen Minuten Fahrt bei einem Hotel, in dem zu übernachten wir uns nicht einmal ansatzweise hätten leisten können (und es auch nicht wollten) und waren somit vom Flughafen losgekommen. Aufgrund der vorgerückten Stunde beschlossen wir, uns nur noch ein paar Schritte zu Fuß von den Hotels weg in die freie Natur zu begeben und dort unser Zelt aufzuschlagen. Während wir an zwei, drei Feldern vorbei spazierten, ging die Sonne unter und wir bauten schließlich unser Zelt im Halbdunkel auf und verbrachten so unsere erste Nacht in Frankreich.
Am nächsten Morgen ließen wir uns gemütlich von der Sonne wecken, frühstückten schön in der Natur - dabei wurde ich gestört durch einen Anruf von der Freien Hochschule Stuttgart, wo man mir mitteilte, dass meine Bewerbung um einen Studienplatz erfolgreich gewesen sei und ich mich an Caros und meinem letzten geplanten Urlaubstag dort noch einmal persönlich vorstellen solle. Dadurch war unser Urlaub um einen Tag verkürzt, trotzdem freute ich mich über diese Nachricht. Wir packten alles zusammen und marschierten los.
In der Nähe gab es eine Straße, über die wir versuchten, nach Paris zu trampen. Leider waren wir irgendwo außerhalb von Paris in der Pampa, wo die Leute höchstens zum nächsten Dorf, aber wohl selten in die Hauptstadt fuhren, und nahmen wir bald den Bus - ironischerweise wieder zurück zum Flughafen - und dann den Zug zum Gare du Nord - und endlich waren wir in Paris!
Paris - oh wie ich diese Stadt liebe, die berauschendste, geheimnisvollste, romantischste, mächtige und zugleich doch irgendwie niedliche Stadt, die ich bisher kennen gelernt habe! Paris, je t'aime! Caro und ich standen nun am Bahnhof und besorgten uns zunächst einmal 10er-Tickets, bevor wir weiter gingen. Gleich am Bahnhof wurden wir von irgendwelchen Leuten angesprochen und bekamen Flyer in die Hand gedrückt, auf denen für irgendwelche viel zu teuren Hostals für "coole Globetrotter" geworben wurde. Aber wir wussten ja schon, wohin wir wollten, und mit den Öffentlichen kamen wir schließlich am frühen Nachmittag im Bois de Boulogne an. Der Campingplatz war bald gefunden, also schnell eingecheckt und Zelt aufgebaut, alles darin verstaut und los ging es in die Stadt.
Wir wollten an jesem Nachmittag und Abend "nur geschwind die Stadt nebst Eifelturm auf uns wirken lassen" - es wurde ein Fußweg von mehreren Kilometern und Stunden zum Arc de Triomphe, die Champs Ellysées entlang bis zum Place de la Concorde, bei les Invalides über die Seine und dann teilweise am Seineufer entlang, teilweise durch verwinkelte Gassen bis zum Eiffelturm, dort wieder zurück über die Seine und durch die Gassen wieder zum Bois de Boulogne. An der Straße, die wir durch den Wald nahmen, tummelte sich inzwischen - es war bereits dunkel geworden - so manche Bordsteinschwalbe. Seltsame Autos fuhren vorüber, von denen eines auch kurz Caros und meinetwegen hielt. Schließlich kamen wir müde und erschöpft in unserem Zelt an und schlüpften ohne große Umschweife in unsere Schlafsäcke und waren kurz darauf eingeschlafen.
Dies hier soll ein Tramperblog sein, also versuche ich, die Tage in Paris nur knapp zusammenzuraffen: Natürlich waren wir im Louvre, denn Caro wollte unbedingt die Mona Lisa sehen, allerdings klappte ausgerechnet dieses nicht, weil wir uns nicht über die frühen Schließzeiten des Louvre informiert hatten. Wir waren auch an anderen Orten in Paris, nur nicht in Montmartre, obwohl wir dies eigentlich unbedingt vorhatten - wir kamen irgendwie nicht dazu, auch, weil unser Aufenthalt in Paris nun um einen Tag verkürzt war.
Sehr nett war es, auf dem Campingplatz die Bekanntschaft von Eva und Franzi zu machen, zwei mutige Abiturientinnen, die mit einem Interrail-Ticket quer durch Europa reisten.
Am 4. 8. war es schließlich Zeit für uns, Paris zu verlassen. Der Plan war, der A4 so lange zu folgen, bis sich eine gut zum Trampen geeignete Auffahrt fand. Nachdem es allerdings bis zum Abend noch ganz schlecht aussah und wir mit unserem ganzen Gepäck von Paris von der Porte de Bercy aus 8km an der A4 entlang marschierten ohne Aussicht darauf, mitgenommen zu werden, hatten wir gegen 0:30 in Joinville dann endlich Glück und wurden von einem freundlichen Herrn aus Mali mitgenommen, der uns zuerst zum Bahnhof in Champigny sur Marne bringen wollte, dann allerdings sagte, es mache ihm "mal au coeur", uns einfach so da stehen zu lassen. Kurzerhand entschloss er sich, uns bei sich im Esszimmer im Schlafsack auf dem Boden schlafen zu lassen.
Am nächsten Morgen begaben wir uns zu Fuß wieder auf die Suche nach der Autobahn, nur um dann festzustellen, dass es an den Autobahnzubringern unmöglich war zu trampen. Also wieder fast zurück dahin von wo aus wir am Morgen starteten und dann an der Route Nationale 4 entlang, wo wir wieder ein paar Kilometer marschieren mussten (mit einer ganz netten Picknickpause) bis wir dann endlich eine Ortschaft weiter mitgenommen wurden, sozusagen von einem Carrefour-Kaufhaus zum nächsten. Dort irrten wir dann zuerst etwas ziellos umher, suchten nach guten Tramp-Möglichkeiten an einer Tankstelle, dann an einem Autobahnzubringer und wieder an der Tankstelle, wo wir sogar einige Deutsche antrafen, die allerdings schon randvoll gepackt und deshalb keinen Platz für uns hatten.
Etwa eine Stunde später, mittlerweile war es schon später Nachmittag und wir waren immernoch in der Peripherie um Paris, nahm uns dann eine etwas ältere französische Dame mit, die zwar ihr Auto schon voll hatte, aber dennoch alles hin und herräumte, um für unsere großen Rucksäcke Platz zu schaffen. Da sie sich offensichtlich auf den französischen Autobahnen (und Straßenkarten) nicht so gut auskannte, kam es ihr wahrscheinlich ganz gelegen, in uns einen Lotsen gefunden zu haben. Sie nahm uns etwa 300km mit bis nach Dole, wo sich unsere Wege trennten, da sie weiter in Richtung Genf und wir in Richtung Strasbourg wollten. Etwas später nahm uns dann ein netter junger Franzose algerischer Abstammung bis nach Besançon mit, ohne es sich nehmen zu lassen, während der Fahrt einen fetten Joint zu rauchen. An der Péage-Station in Besançon ließ er uns dann springen - mittlerweile war es schon 23:30 Uhr und dunkel - , und wir waren gerade dabei, uns einen Platz für unser Zelt zu suchen, als wir von einem weiteren freundlichen Franzosen angesprochen wurden, ob wir nach Prag wollten. Prag?? Gern, nur nicht jetzt. Die Sache klärte sich auch schnell: Er war Leiter einer französischen Reisegruppe mit komfortablem Reisebus, die an besagter Péage-Station exakt zwei Reisegäste, einen Mann und eine Frau, aufgabeln wollte. Zwar waren wir schon müde und hatten uns schon aufs Schlafen eingestellt, allerdings brauchten wir nicht lange zu überlegen, als er uns anbot, uns bis Strasbourg, vielleicht sogar bis zu einer Raststätte auf deutscher Seite mitzunehmen. Also unsere Rucksäcke in den Kofferraum und wir in die bequemen Sitze. Sicherheitshalber fragte ich den Reiseleiter, was es uns denn kosten würde, mit dem Bus mitzufahren, da meinte er nur, da wir ja Tramper seien, würde er uns eben auch wie Tramper mitnehmen: Umsonst. Am Rasthof Renchtal, der nächste nach dem Grenzübergang Straßburg-Kehl, verließen wir die Reisegruppe - es war schon 3:30 Uhr - und bauten ganz frech unser Zelt auf einem Stück Rasen neben der Raststätte auf. Es regnete ziemlich stark, weswegen wir es im Trockenen an der Tankstelle aufstellten und dann schnell auf das Rasenstück trugen, um danach nur noch schnell zuerst unsere Rucksäcke und schließlich uns selbst vor dem Regen zu retten und ein paar Stunden zu schlafen, bevor am nächsten Morgen der nächste übereifrige Polizist uns von dort vertreiben würde. Der Polizist blieb allerdings aus und so schliefen wir gut bis etwa 10 Uhr und machten uns dann entspannt auf die Suche nach jemandem, der uns die verbliebenen 150 km bis nach Stuttgart mitnahm; der war bald gefunden. Ein paar Minuten mit den Stuttgarter U- und S-Bahnen, dann waren wir um 14:30 Uhr endlich bei mir zuhause.
Dienstag, 4. August 2009
Mittwoch, 22. Juli 2009
Montpellier - Stuttgart im Herbst 2005
Einmal mit dem Trampen begonnen, gab es für mich bald keine ernstzunehmende Alternative zu reisen mehr. Dass ich auf mitfahrgelegenheit.de nach jemandem zum Mitfahren suchte, wurde immer seltener, immer häufiger suchte ich eine mögliche Route über die bundesdeutschen Autobahnen und trampte mal hierhin, mal dorthin, mal größere, mal kleiner Strecken, die aber bis dahin alle nicht besonders nennenswert sind.
Als nächste Tramptour eine besondere Erwähnung wert war eine Reise, die mich im Grunde nach Hause nach Stuttgart führte.
Eine ehemalige Studienfreundin war für ein Studienjahr im Ausland nach Montpellier gegangen und hatte mich für Oktober 2005 eingeladen, sie für ein längeres Wochenende besuchen zu kommen. Für den Weg zu ihr suchte ich einen preisgünstigen RyanAir-Flug, der damals von Frankfurt-Hahn aus ging. Die Rückreise hatte ich als Tramp-Versuch durch Frankreich geplant.
Nach Frankfurt kam ich per Mitfahrgelegenheit, von Frankfurt aus nach Hahn mit einer Shuttlebus-Fahrt, die teurer als der Flug war und fast so lange wie dieser dauerte. Auf dem Weg zum Flughafen fand ich auch gleich noch einen damals zukünftigen, jetzt 2009 schon wieder ehemaligen Studienkollegen.
Der Flug nach Montpellier verlief ohne besondere Vorkommnisse. Als ich dort den aus dem Flughafengebäude trat, war das erste Zeichen, dass ich im Süden angekommen war, eine große, breite Palme auf dem Parkplatz:
Gleich vom Flughafen aus wollte ich die französischen Trampverhältnisse auszuprobieren, indem ich mich in die Stadt mitnehmen ließ, und tatsächlich klappte es recht schnell und ich war in Montpellier.
Von der Stadt war ich sofort beeindruckt und hatte auch genügend Zeit, sie auf mich wirken zu lassen, denn meine Studienfreundin war bis zum Abend noch unterwegs und konnte mich erst dann empfangen. Als ich dann bei ihr war, verbrachten wir zwei schöne Tage in der Stadt und am Strand, bei dem auch im Oktober das Wasser noch recht angenehm warm war.
Am dritten Tag schließlich sollte es losgehen. Ich war ein wenig unsicher, aufgeregt, denn Stuttgart war weit. Sollte ich es wirklich tun? Nicht lieber doch einen Rückflug buchen?
Zur Mittagszeit kam ich mit dem Bus so weit wie möglich aus Montpellier heraus in die Nähe der N113 kurz vor Lunel. Nach einer Weile hielt eine Frau an, die mich die wenigen Kilometer nach Lunel hinein mitnahm. Von dort aus ging es wieder ein paar Kilometer aus dem Ort heraus und schließlich stand ich irgendwo auf der Landstraße in einem Dorf, ich meine es war Codognan, und ich dachte nur: GEIL! Ich verspürte zum ersten Mal den Kick, irgendwo im Nirgendwo in einem fremden Land zu stehen, ohne zu wissen, wann ich wo und wie landen werde, wann ich wo und wie schlafen werde, so richtig verlassen in der Fremde ohne Unterschlupf, ohne alles zu sein außer den Dingen, die ich bei mir hatte. Da es ein sonniger Nachmittag war, konnte ich dieses Gefühl richtig schön genießen und ich machte erst einmal ein kleines Picknick am Straßenrand.
Nach einer Weile ging es weiter mit jemandem, der mich bis Nîmes mitnehmen konnte, freundlicherweise sogar bis zur Péage-Station zur A9, aber leider war ich als Tramper noch zu unerfahren als dass ich gewusst hätte, wie ich am besten an so einer Station fortkam und so trug es sich zu, dass ich zum Einbruch der Dämmerung noch in Nîmes war und zu Fuß weiter entlang der N86 in Richtung Ortsausgang ging. Dort nahm mich schließlich jemand mit - es war schon dunkel geworden - und setzte mich in einem kleineren Ort zwischen Nîmes und Avignon ab - in Rekonstruktion der Strecke aus der Erinnerung könnte es Remoulins gewesen sein. Auch dort ging ich zum Ortsausgang, auch wenn es schon 10 Uhr in der Nacht war, hielt den Daumen hinaus und wurde tatsächlich noch einmal mitgenommen von einer Familie, die auf dem Weg nach Avignon war und mich irgendwo im Nordteil der Stadt absetzte - es muss bei Sorgues gewesen sein; in einem späteren Eintrag wird man sehen, wieso ich das zu recht vermute.
An einem großen Kreisel stand ich nun, von dem aus es in Richtung Orange weitergegangen wäre, aber eigentlich war ich zu dieser Uhrzeit schon darauf eingestellt, irgendwo mein Nachtlager suchen zu müssen und auf diesem wirklich großen Kreisel war ein kleines Wäldchen, in dem ich glaubte, Unterschlupf finden zu können. Trotzdem konnte ich mich so schnell noch nicht entscheiden, schlafen zu gehen, und halb schon war ich auf dem Weg unter die Bäume, da kam ein Auto. Ich eilte wieder zurück, hielt meinen Daumen hinaus, aber vergeblich, der Fahrer fuhr vorbei. Also wieder zu den Bäumen, die ich nicht ganz erreicht hatte, als wieder ein Wagen kam und ich wieder einen Versuch startete. Und tatsächlich: Der Fahrer hielt an und ich fragte ihn, ob er in Richtung Lyon fahren würde, denn ich hatte die Hoffnung, dort bei meinem Schüleraustauschfreund Charles unterzukommen. Der Fahrer meinte, er würde nur ein Stück weit Richtung Lyon in etwa bis Montélimar fahren und ich stieg ein. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich dies bereuen sollte, als er am Steuer einen Joint drehte und ihn auch rauchte, und ich bereute es schließlich doch, als dann auch noch sein Auto streikte und er mit Handy als Taschenlampe am Motor herumfingerte und ich ihm einen Großteil meines Trinkwassers für den Kühler hergab. Schließlich kam noch ein Freund von ihm vorbei und gemeinsam brachten sie das Auto wieder in Gang und wir kamen weiter bis Montélimar.
Dort schließlich wollte ich gleich versuchen, weiterzutrampen, nachdem ich erfahren hatte, wie gut es nachts in Frankreich läuft. Und tatsächlich, wieder ein Fahrer hielt an - inzwischen war es um Mitternacht - der Richtung Genf fuhr und ich stieg ein. Während der Fahrt erklärte er mir, dass er für die Fahrt nach Genf den Weg nicht genau kenne, drückte mir die Karte in die Hand. Wie zum Beweis verfuhr er sich auch erstmal ordentlich in der Stadt, doch schließlich fanden wir den richtigen Weg und ich machte mir im Kopf einen Strich durch Lyon als Ziel und sagte mir, dann eben durch die Schweiz und fuhr mit ihm bis in die Alpen. Nicht ganz bis Genf musste er, sondern in einem Ort kurz vor der Grenze ließ er mich hinaus - ich meine es war Valleiry - nachts am Bahnhof im strömenden Regen. Schirm und Regencape hatte ich dabei und so huschte ich schnell zum Bahnhof, um darin unterzukommen, doch die Tür war verschlossen und der Fahrer inzwischen weitergefahren. Jetzt hatte ich mich so gefreut, dass ich, nach der Frustration, bis zur Dämmerung gerade mal bis Nîmes gekommen zu sein, jetzt doch trotzdem so ein großes Stück voran gekommen war und jetzt sollte ich die restliche Nacht im Regen verbringen müssen? Nein, so hatte ich mir das nicht vorgestellt und so leicht gab ich nicht auf. Der Bahnhof war an sich gut, fand ich. Nur musste man irgendwie nach innen gelangen. Leider waren nicht nur die Türen verschlossen, sondern die gesamte Gleisanlage war eingezäunt, so dass man auch nicht von hinten an das Bahnhofsgebäude kam. Doch nur knapp 200 Meter vom Bahnhof entfernt war ein Bahnübergang, durch den man die Gleisanlage betreten konnte, und schließlich fand ich gegen 2:00 Uhr nachts einen trockenen und windgeschützten Platz für meinen Schlafsack in der Unterführung zwischen zwei Bahnsteigen.
Um 6:00 Uhr morgens öffnete der Bahnhof und die ersten Fahrgäste kamen durch die Unterführung. Hier bot sich mir eine interessante, denkenswerte Erfahrung, die ich vorher so noch nicht gemacht hatte: Natürlich beeilte ich mich, meine Habseligkeiten zusammenzupacken, als die ersten Leute kamen, angefangen vom Schlafsack, denn es war mir etwas peinlich ihnen gegenüber, hier geschlafen zu haben. Drei Leute sahen mich da liegen, und die Blicke, die sie mir zuwarfen, waren nicht gerade wohlwollend, sondern so, dass ich aus ihnen lesen konnte, dass sie in mir einen Obdachlosen Bettler sahen, der für sie ein optisches Ärgernis, einen unerwünschten Gesellen darstellte, und ich fragte mich, ob nicht vielleicht auch ich schon öfters ohne es zu wollen Obdachlose mit solchen Blicken betrachtet hatte.
Der Weg nach Genf war schnell gemacht. Der Weg aus Genf war dafür erheblich schwieriger. Ich marschierte durch die Stadt bald an diesen, bald an jenen Autobahnzubringer für die A1 und musste feststellen, dass das Fortkommen jeweils nicht gut möglich war. Obwohl ich recht früh in Genf ankam, wurde es doch Mittag, bis ich auf die Idee kam, es einmal am Flughafen an der Ausfahrt des Parkplatzes zu versuchen. Gesagt, getan, und schnell war ich wieder unterwegs. Ohne mir genau das Risiko klar gemacht zu haben, fuhr ich mit bis hinter Lausanne zum Relais de Lavaux. Dort machte ich ein schönes Mittags-Picknick in der Sonne mit einem herrlichen Blick auf den Genfer See und stellte dann fest, dass diese Doppel-Raststätte so lag, dass man in beide Richtungen nach Deutschland (zunächst nach Bern) gelangen konnte und jeweils die Fahrer meinten, ich stünde in der falschen Richtung.
Nach zwei oder drei Seitenwechseln fand ich jemanden, der mich bis zur Raststätte bei La Cantine mitnahm und von dort aus ging es mit einem jungen Pärchen Richtung Fribourg und weiter mit jemandem bis nach Basel, von dort aus mit verschiedenen Parteien über Karlsruhe nach Stuttgart, wo ich spät abends ankam.
Insgesamt 15 Parteien, davon über die Häfte französischsprechend, brachten mich so in anderthalb Tagen von Montpellier aus bis zu mir nachhause. Müde und erschöpft, aber durch und durch freudestrahlend und glücklich über diese Tour fiel ich ins Bett und schlief wahrscheinlich so gut wie schon lange nicht mehr.
Als nächste Tramptour eine besondere Erwähnung wert war eine Reise, die mich im Grunde nach Hause nach Stuttgart führte.
Eine ehemalige Studienfreundin war für ein Studienjahr im Ausland nach Montpellier gegangen und hatte mich für Oktober 2005 eingeladen, sie für ein längeres Wochenende besuchen zu kommen. Für den Weg zu ihr suchte ich einen preisgünstigen RyanAir-Flug, der damals von Frankfurt-Hahn aus ging. Die Rückreise hatte ich als Tramp-Versuch durch Frankreich geplant.
Nach Frankfurt kam ich per Mitfahrgelegenheit, von Frankfurt aus nach Hahn mit einer Shuttlebus-Fahrt, die teurer als der Flug war und fast so lange wie dieser dauerte. Auf dem Weg zum Flughafen fand ich auch gleich noch einen damals zukünftigen, jetzt 2009 schon wieder ehemaligen Studienkollegen.
Der Flug nach Montpellier verlief ohne besondere Vorkommnisse. Als ich dort den aus dem Flughafengebäude trat, war das erste Zeichen, dass ich im Süden angekommen war, eine große, breite Palme auf dem Parkplatz:
Gleich vom Flughafen aus wollte ich die französischen Trampverhältnisse auszuprobieren, indem ich mich in die Stadt mitnehmen ließ, und tatsächlich klappte es recht schnell und ich war in Montpellier.
Von der Stadt war ich sofort beeindruckt und hatte auch genügend Zeit, sie auf mich wirken zu lassen, denn meine Studienfreundin war bis zum Abend noch unterwegs und konnte mich erst dann empfangen. Als ich dann bei ihr war, verbrachten wir zwei schöne Tage in der Stadt und am Strand, bei dem auch im Oktober das Wasser noch recht angenehm warm war.
Am dritten Tag schließlich sollte es losgehen. Ich war ein wenig unsicher, aufgeregt, denn Stuttgart war weit. Sollte ich es wirklich tun? Nicht lieber doch einen Rückflug buchen?
Zur Mittagszeit kam ich mit dem Bus so weit wie möglich aus Montpellier heraus in die Nähe der N113 kurz vor Lunel. Nach einer Weile hielt eine Frau an, die mich die wenigen Kilometer nach Lunel hinein mitnahm. Von dort aus ging es wieder ein paar Kilometer aus dem Ort heraus und schließlich stand ich irgendwo auf der Landstraße in einem Dorf, ich meine es war Codognan, und ich dachte nur: GEIL! Ich verspürte zum ersten Mal den Kick, irgendwo im Nirgendwo in einem fremden Land zu stehen, ohne zu wissen, wann ich wo und wie landen werde, wann ich wo und wie schlafen werde, so richtig verlassen in der Fremde ohne Unterschlupf, ohne alles zu sein außer den Dingen, die ich bei mir hatte. Da es ein sonniger Nachmittag war, konnte ich dieses Gefühl richtig schön genießen und ich machte erst einmal ein kleines Picknick am Straßenrand.
Nach einer Weile ging es weiter mit jemandem, der mich bis Nîmes mitnehmen konnte, freundlicherweise sogar bis zur Péage-Station zur A9, aber leider war ich als Tramper noch zu unerfahren als dass ich gewusst hätte, wie ich am besten an so einer Station fortkam und so trug es sich zu, dass ich zum Einbruch der Dämmerung noch in Nîmes war und zu Fuß weiter entlang der N86 in Richtung Ortsausgang ging. Dort nahm mich schließlich jemand mit - es war schon dunkel geworden - und setzte mich in einem kleineren Ort zwischen Nîmes und Avignon ab - in Rekonstruktion der Strecke aus der Erinnerung könnte es Remoulins gewesen sein. Auch dort ging ich zum Ortsausgang, auch wenn es schon 10 Uhr in der Nacht war, hielt den Daumen hinaus und wurde tatsächlich noch einmal mitgenommen von einer Familie, die auf dem Weg nach Avignon war und mich irgendwo im Nordteil der Stadt absetzte - es muss bei Sorgues gewesen sein; in einem späteren Eintrag wird man sehen, wieso ich das zu recht vermute.
An einem großen Kreisel stand ich nun, von dem aus es in Richtung Orange weitergegangen wäre, aber eigentlich war ich zu dieser Uhrzeit schon darauf eingestellt, irgendwo mein Nachtlager suchen zu müssen und auf diesem wirklich großen Kreisel war ein kleines Wäldchen, in dem ich glaubte, Unterschlupf finden zu können. Trotzdem konnte ich mich so schnell noch nicht entscheiden, schlafen zu gehen, und halb schon war ich auf dem Weg unter die Bäume, da kam ein Auto. Ich eilte wieder zurück, hielt meinen Daumen hinaus, aber vergeblich, der Fahrer fuhr vorbei. Also wieder zu den Bäumen, die ich nicht ganz erreicht hatte, als wieder ein Wagen kam und ich wieder einen Versuch startete. Und tatsächlich: Der Fahrer hielt an und ich fragte ihn, ob er in Richtung Lyon fahren würde, denn ich hatte die Hoffnung, dort bei meinem Schüleraustauschfreund Charles unterzukommen. Der Fahrer meinte, er würde nur ein Stück weit Richtung Lyon in etwa bis Montélimar fahren und ich stieg ein. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich dies bereuen sollte, als er am Steuer einen Joint drehte und ihn auch rauchte, und ich bereute es schließlich doch, als dann auch noch sein Auto streikte und er mit Handy als Taschenlampe am Motor herumfingerte und ich ihm einen Großteil meines Trinkwassers für den Kühler hergab. Schließlich kam noch ein Freund von ihm vorbei und gemeinsam brachten sie das Auto wieder in Gang und wir kamen weiter bis Montélimar.
Dort schließlich wollte ich gleich versuchen, weiterzutrampen, nachdem ich erfahren hatte, wie gut es nachts in Frankreich läuft. Und tatsächlich, wieder ein Fahrer hielt an - inzwischen war es um Mitternacht - der Richtung Genf fuhr und ich stieg ein. Während der Fahrt erklärte er mir, dass er für die Fahrt nach Genf den Weg nicht genau kenne, drückte mir die Karte in die Hand. Wie zum Beweis verfuhr er sich auch erstmal ordentlich in der Stadt, doch schließlich fanden wir den richtigen Weg und ich machte mir im Kopf einen Strich durch Lyon als Ziel und sagte mir, dann eben durch die Schweiz und fuhr mit ihm bis in die Alpen. Nicht ganz bis Genf musste er, sondern in einem Ort kurz vor der Grenze ließ er mich hinaus - ich meine es war Valleiry - nachts am Bahnhof im strömenden Regen. Schirm und Regencape hatte ich dabei und so huschte ich schnell zum Bahnhof, um darin unterzukommen, doch die Tür war verschlossen und der Fahrer inzwischen weitergefahren. Jetzt hatte ich mich so gefreut, dass ich, nach der Frustration, bis zur Dämmerung gerade mal bis Nîmes gekommen zu sein, jetzt doch trotzdem so ein großes Stück voran gekommen war und jetzt sollte ich die restliche Nacht im Regen verbringen müssen? Nein, so hatte ich mir das nicht vorgestellt und so leicht gab ich nicht auf. Der Bahnhof war an sich gut, fand ich. Nur musste man irgendwie nach innen gelangen. Leider waren nicht nur die Türen verschlossen, sondern die gesamte Gleisanlage war eingezäunt, so dass man auch nicht von hinten an das Bahnhofsgebäude kam. Doch nur knapp 200 Meter vom Bahnhof entfernt war ein Bahnübergang, durch den man die Gleisanlage betreten konnte, und schließlich fand ich gegen 2:00 Uhr nachts einen trockenen und windgeschützten Platz für meinen Schlafsack in der Unterführung zwischen zwei Bahnsteigen.
Um 6:00 Uhr morgens öffnete der Bahnhof und die ersten Fahrgäste kamen durch die Unterführung. Hier bot sich mir eine interessante, denkenswerte Erfahrung, die ich vorher so noch nicht gemacht hatte: Natürlich beeilte ich mich, meine Habseligkeiten zusammenzupacken, als die ersten Leute kamen, angefangen vom Schlafsack, denn es war mir etwas peinlich ihnen gegenüber, hier geschlafen zu haben. Drei Leute sahen mich da liegen, und die Blicke, die sie mir zuwarfen, waren nicht gerade wohlwollend, sondern so, dass ich aus ihnen lesen konnte, dass sie in mir einen Obdachlosen Bettler sahen, der für sie ein optisches Ärgernis, einen unerwünschten Gesellen darstellte, und ich fragte mich, ob nicht vielleicht auch ich schon öfters ohne es zu wollen Obdachlose mit solchen Blicken betrachtet hatte.
Der Weg nach Genf war schnell gemacht. Der Weg aus Genf war dafür erheblich schwieriger. Ich marschierte durch die Stadt bald an diesen, bald an jenen Autobahnzubringer für die A1 und musste feststellen, dass das Fortkommen jeweils nicht gut möglich war. Obwohl ich recht früh in Genf ankam, wurde es doch Mittag, bis ich auf die Idee kam, es einmal am Flughafen an der Ausfahrt des Parkplatzes zu versuchen. Gesagt, getan, und schnell war ich wieder unterwegs. Ohne mir genau das Risiko klar gemacht zu haben, fuhr ich mit bis hinter Lausanne zum Relais de Lavaux. Dort machte ich ein schönes Mittags-Picknick in der Sonne mit einem herrlichen Blick auf den Genfer See und stellte dann fest, dass diese Doppel-Raststätte so lag, dass man in beide Richtungen nach Deutschland (zunächst nach Bern) gelangen konnte und jeweils die Fahrer meinten, ich stünde in der falschen Richtung.
Nach zwei oder drei Seitenwechseln fand ich jemanden, der mich bis zur Raststätte bei La Cantine mitnahm und von dort aus ging es mit einem jungen Pärchen Richtung Fribourg und weiter mit jemandem bis nach Basel, von dort aus mit verschiedenen Parteien über Karlsruhe nach Stuttgart, wo ich spät abends ankam.
Insgesamt 15 Parteien, davon über die Häfte französischsprechend, brachten mich so in anderthalb Tagen von Montpellier aus bis zu mir nachhause. Müde und erschöpft, aber durch und durch freudestrahlend und glücklich über diese Tour fiel ich ins Bett und schlief wahrscheinlich so gut wie schon lange nicht mehr.
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